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Tag 2, Ny-Ålesund / Lilliehöökfjord

 

Tag 2 ohne Internet und Mobilfunk.

Es gibt offensichtlich ein größeres technisches Problem mit der “Internetversorgung” an Bord. Weder Mobilfunk noch Internet funktionieren! Wie schön!!!

Für die “Unter 30” Fraktion allerdings eine kleine Katastrophe. Vielleicht wissen sie aber nur nicht, dass Eisbären so etwas nicht brauchen, denn die können ihr potentielles Frühstück auf eine Entfernung von 25km wittern und brauchen dank der feinen Nase kein Navi.

 

Wie vorgesehen legte die Hanseatic spirit bei strahlendem Sonnenschein - wir wurden wohl von einem Glücksengel “geküsst” - gegen 9:00 Uhr heute morgen an der kleinen Pier in Ny-Ålesund an. Auf den ersten Blick sieht dieser Ort alles andere als einladend aus. Daran konnte auch das herrliche Wetter nichts ändern. 

Dennoch, Ny-Ålesund war in früheren Jahren Ausgangspunkt vieler Polarexpeditionen. Von hier aus überflogen Roald Amundsen und sein Konstrukteur Umberto Nobile (die später erbitterte Gegner im Wettlauf zum Nordpol wurden) 1926 mit dem Luftschiff “Norge” erstmals den Nordpol. 

Ny-Ålesund ist eine der nördlichsten Gemeinden der Welt. Je nach Jahreszeit leben hier zwischen 30 und 150 Menschen, zumeist Forscher und Wissenschaftler. Aufgrund seiner relativ guten Zugänglichkeit (trotz der extremen nördlichen Lage) hat sich der Ort zu einem erwähnenswerten Zentrum der Polarforschung entwickelt. Bis 1963 wurde in Ny-Ålesund Kohle abgebaut, was bis zur Stilllegung der Bergwerke im Jahre 1963 die Lebensgrundlage der Gemeinde war.

Heute ist Ny-Ålesund ein internationales Zentrum der Polarforschung und Umweltüberwachung. Wissenschaftler aus vielen Ländern kommen hierher.

Die Gemeinde hat einen sogenannten Lehrpfad um die “Stadt” herum angelegt, der aus 25 Stationen besteht, an denen man etwas über Flora, Fauna, Geschichte, Polarforschung und Geographie von Ny-Ålesund und Umgebung erfahren kann.

Wir sind diesen Lehrpfad abgelaufen, haben das Museum besucht und fragen uns nach dieser Tour, wie man es bis zu 5 Jahren an diesem unwirtlichen Ort aushalten kann. Hier sind einige Impressionen:

 

Gegen 13:00 Uhr heißt es "Leinen los", wir verlassen Ny-Ålesund und machen uns auf den Weg zum 28 Seemeilen entfernten Lilliehöökfjord.

Vom stark vergletscherten Inland Nordwest-Spitzbergens fließen eine Reihe mittelgroßer Gletscher in den Krossfjord. Besonders prominent ist der Lilliehöökbreen, dessen halbkreisförmige Abbruchkante sich mittlerweile in einem Bogen über gut 7km erstreckt.

Auch wenn der Volumenverlust des Gletschers in den letzten 100 Jahren auf 40% angestiegen ist, stellt der Lilliehöökbreen mit seiner bis zu 30 Meter hohen Abbruchkante einen landschaftlichen Höhepunkt in dieser Gegend dar.

 

Wir haben unglaubliches Wetterglück. Die Sonne strahlt von einem wolkenlosen Himmel. Es wird ruhig um uns, denn dieser unfassbare schöne Anblick des Gletschers raubt uns buchstäblich Worte und Atem.  

 

War allein die Einfahrt in den Fjord bei strahlendem Sonnenschein schon ein unvergessliches Erlebnis, es sollte noch besser kommen. Der Kapitän ließ die Spirit bis auf 500 Meter an den Gletscher laufen. Zur Beruhigung, die Wassertiefe im Fjord beträgt an der Stelle ca. 170 Meter. Aus dem Grund wurde auch kein Anker geworfen, sondern die Position mit der Schraube sowie Bug- und Heckstrahler gehalten.

Kurze Zeit später waren 12 Zodiac’s im Wasser, bereit für das Cruising entlang der Gletscher-Abbruchkante. Nach und nach wurden die einzelnen Zodiac-Gruppen aufgerufen und ein Boot nach dem anderen verschwand hinter der Spirit in Richtung des Gletschers. 

Und dann begann auch für uns eines der schönsten Erlebnisse, seitdem wir einen Fuß auf ein Kreuzfahrtschiff gesetzt haben. Die Sonne stand in fast perfektem Winkel hinter uns am Himmel, kaum Wind, ein paar dekorative Schäfchenwolken und ein Zodiac nur für uns Vier plus Bootsführerin Chiara.

Vor der Abbruchkante des Gletschers schwammen viele kleine Eisbrocken bzw. kleine Eisfelder, die wir entweder im Slalom umfahren oder sogar direkt durchqueren mussten. Dann kam zu diesem visuellen Genuss auch noch die Geräuschkulisse des brechenden Eises.

Immer wieder schwammen phantasieanregende Eisskulpturen an uns vorbei, die erst kurz vorher vom Gletscher gekalbt waren. Eine gute Stunde war uns dieses außergewöhnlich Vergnügen vergönnt. Wir haben jede Sekunde davon mit allen Sinnen aufgesogen, weit über 100 Bilder und etliche Videos gemacht, und werden dieses Erlebnis mit Sicherheit nie wieder vergessen. Hier ist ein kleiner Teil der fotografischen Ausbeute.

 

Hier könnt Ihr 2 Runden "mitfahren". Aber Vorsicht, es könnte süchtig machen. Uns hat es schon voll erwischt!!

 

Inzwischen ist es 00:50 Uhr, die Sonne steht immer noch hoch am Himmel. Der Blick aus dem Fenster gaukelt einem einen sonnigen Sommernachmittag zur Kaffeezeit vor und ich versuche zum Einen, dieses Erlebnis irgendwie in Worte zu fassen, zu verarbeiten, und zum Anderen so langsam in den Schlaf zu kommen. Zum Glück schläft zumindest Lottchen trotz Sonnenschein bereits tief und fest. Denn morgen früh steht schon das nächste große Abenteuer auf dem Plan.

Wir sind zur Zeit auf Kurs Richtung Norden zur Packeisgrenze. Morgen früh zwischen 8:00 und 9:00 Uhr sollten wir die ersten Eisschollen zu sehen bekommen. Ob und wann wir das Packeis erreichen hängt von der Eisbedeckung ab. Der Kapitän will tatsächlich versuchen, mit der Spirit soweit als möglich ins Packeis hinein zu fahren. Das große Ziel ist, die magische Marke von 1000km bis zum Nordpol zu unterschreiten. Er sagt auch, dass wir sicher keinen Wecker brauchen werden, denn wir würden es deutlich spüren und hören, wenn wir das Packeis erreicht haben und unser Bug sich langsam durch die Eisschollen kämpft. Die Passagiere sind aufgefordert Kameras und Ferngläser bereit zu halten und gemeinsam mit der Crew auf der Brücke Ausschau nach Eisbären und anderen Tieren zu halten, die gemütlich auf Eisschollen an uns vorbei “surfen”. Davon dann morgen mehr!!

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